Gute Zeiten, schlechte Zeiten im Zeichen des Shamrock

Donaustauf, 03. Juli 2015. Ein Gründungsmythos, der anders als die christliche Genesis ein frühes Beispiel für Teamwork ist, eine Sagenwelt, die in ihren Verwicklungen Vorläuferin einer Soap wie Dallas sein könnte, eine Musik, die beim Zuhörer ein seliges Instantlächeln erzeugt und ein Pausenbuffet voller köstlicher selbstgemachter Pies und Sandwiches, begleitet von gut gefüllten Guinness-Pints: Für das Programm ihres literarisch-kulinarischen Irlandabends schöpften Waltraud Hintermeier und ihr Team der Donaustaufer Gemeindebücherei aus dem Vollen. Michael Sanetra, Diplom-Bibliothekar, St Michaelsbund München, der auch schon bei vorhergehenden Ausgaben dieser jährlichen Länderportraits als Ideengeber fungierte, moderierte einen stimmungsvollen Abend, der das Publikum im vollbesetzten Brunnenhof des Rathauses in die vielen Facetten der Literatur und der Geschichte der Grünen Insel einführte. Karin Sauerer und Werner Fleischmann bewiesen beim Vortragen der Mythen und Sagen wahre Furchtlosigkeit vor den komplizierten gälischen Namen - wohl auch weil Moderator Michael Sanetra frühzeitig darauf hingewiesen hatte, dass selbst waschechte Iren sich selten auf die eine "richtige" Aussprache eines gälischen Wortes einigen könnten. So ließen die beiden geübten Vorleser Sauerer und Fleischmann entspannt die zahlreichen Protagonisten der alten irischen Sagen vorbeiziehen: Darunter Angus, Midyir, Ogma und Brigit aus dem Gründungsmythos des auch "Insel des Schicksals" genannten Irland, Diarmaid und Grainne, die es später als "Tristan und Isolde" bis nach Bayreuth schafften und der Mönch und Urheberrechtsverletzer Columcill, der mit der heimlichen Abschrift eines Buches den "Bücherkrieg" im Jahre 561 ausgelöst haben soll. Fehlen durften an diesem Sommerabend in Donaustauf selbstredend auch nicht der Missionar und irische Nationalheilige St. Patrick, der irische Nationalschriftsteller James Joyce mit einem Auszug aus seinem Romanmonster "Ulysses" und sein zwei Jahrhunderte vor ihm lebender Kollege Jonathan Swift. Mit dessen Text, einer bitteren Satire auf die Folgen der Vertreibungspolitik der englischen Besatzer für die angestammte Bevölkerung erhielt ein Dauerthema der irischen Geschichte brennend scharfe Kontur: Der Hunger. War in einigen der vorangegangenen Beiträge schon hie und da von Hungersnöten die Rede, wurde es in Swifts Satire "Ein bescheidener Vorschlag" so drastisch, dass dem Vortragenden Werner Fleischmann zeitweise die Stimme versagte und dem Publikum Hören und Sehen verging. Kein Wunder, dass auch Swifts Zeitgenossen, vor allem die englischen, "not amused" über seinen ätzenden Vorschlag waren, die irischen Armen möchten ihre beklagenswerte Situation doch durch den Verkauf ihrer überzahlreichen Kinder an solvente Gourmets verbessern. Redlich ist dieser Mut der Veranstalter, die sprichwörtliche irische Armut so eindringlich in ihr Panorama über diese teils so gebeutelte Insel auf zu nehmen. Mit durchweg sehr melodiösen Beiträgen hatten dagegen die Musikkünstler im Programm leichtes Spiel, die Herzen der Zuhörer zu erreichen. Es muss wohl an dem gleich zu Beginn von Max Rädlinger und dem Donaustaufer Kirchenchor gespendeten „Irischen Segen“ gelegen haben, dass sämtlich alle folgenden musikalischen Darbietungen so gut gelangen. Die junge Anna Sandbiller an der Harfe und Delin Pai an der Geige trafen in ihren Darbietungen von irischen Volksliedern sicher den Sound der Grünen Insel und ganz gewiss hätte das „Rose of Trallee“ des Duos Pai/Rädlinger den kürzlich verstorbenen Irlandkenner und leidenschaftlichen Pubsänger Harry Rowohlt zur Gänze überzeugen können. Historische Korrektheit bewies der Kirchenchor mit dem Absingen beider irischen Hymnen: Zunächst wurde Nordirland mit der „Londonderry Air“ (ein hinreißender Schmachtfetzen!) die Referenz erwiesen. Zum Programmabschluss folgte dann die wesentlich zackigere Nationalhymne der Republik Irland, die durch den dazu gereichten Irish Whiskey eine allseits willkommene geschmackliche Konkretisierung erfuhr. Viel Applaus und mehrere imaginäre Vorhänge am Ende für eine gelungene Veranstaltung. 

Florian Eckert